Sicherheitsbehörden raten Wirtschaft, Gefahren ernstzunehmen
STUTTGART – Cyberkriminalität wird zu einer immer größeren Bedrohung für die Wirtschaft. Dies machte Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer der Verbände Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), Südwestmetall und vom Unternehmensverband Südwest (USW), am Dienstag bei der Begrüßung zum Cybersicherheitstag in der Sparkassenakademie im Stuttgarter Europaviertel deutlich. Die Folgen für die Unternehmen können dramatisch sein, Betriebe sind nach Cyberattacken oft wochenlang lahmgelegt, die Verunsicherung ist dann meist sehr groß. Beim Cybersicherheitstag der Verbände UBW, Südwestmetall und USW legten Expertinnen und Experten vor mehr als 150 Zuhörern dar, wie sich Unternehmen schützen können und wie sich Geschäftsführungen und Beschäftigte verhalten sollten, werden sie Opfer einer Cyberattacke.
Nach Angaben der Sicherheitsbehörden stecken im Bereich von Cyberspionage und –sabotage zunehmend Staaten weltweit hinter Attacken oder Angriffen. „Insbesondere in der baden-württembergischen Wirtschaft haben wir eine Vielzahl von mutmaßlich nachrichtendienstlich gesteuerten oder staatlich gelenkten Angriffen festgestellt”, sagte Karl-Friedrich Fecht, Leiter des Referats Behörden- und Wirtschaftsschutz, Cyberabwehr und Informationssicherheit des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg. Ursachen für die zuletzt zunehmende Zahl staatlicher Attacken seien der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die global zunehmenden, geopolitischen Spannungen. Vor allem die kritische Infrastruktur sei oft das Ziel von Cyberattacken.
„Ein falscher Klick – Hackern auf der Spur: warum der Cyberkrieg uns alle betrifft.” Dies ist der Titel der neuesten Veröffentlichung der Journalistin und ausgezeichneten Buchautorin Eva Wolfangel, die auf der Veranstaltung über das Vorgehen von Hackern referierte. „Wir müssen die Perspektive der Kriminellen verstehen, um die digitalen Lücken zu finden, die sie nutzen”, beschrieb sie die kriminellen Machenschaften von oft global tätigen Hackergruppen. Zu den häufigsten Attacken zählen sogenannte Ransomware-Angriffe. Hier verschlüsseln Kriminelle die IT-Daten eines Unternehmens und geben diese erst wieder nach der Zahlung eines Lösegelds frei. Über diese Methode versuchte zuletzt ein weltweit agierendes Netzwerk auch drei baden-württembergische Unternehmen zu erpressen.
„Die zunehmende Digitalisierung von Unternehmen führt automatisch zu einer erhöhten Gefährdung“, sagte Mathias Bölle, Abteilungsleiter Cybercrime und Digitale Spuren im Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Alleine in Deutschland betrage der jährliche Schaden durch Cyberangriffe rund 202 Milliarden Euro, jedes zehnte Unternehmen sehe seine Existenz wegen möglicher Cyberattacken gefährdet. Für Claudia Warken, Vizepräsidentin der Cybersicherheitsagentur Baden-Württemberg, tragen Entwicklungen unter anderem im Bereich der künstlichen Intelligenz dazu bei, dass die Methoden von Kriminellen immer komplexer und damit schwerer nachzuvollziehen seien. Generell gelte auch für Unternehmen, dass diese sich langfristig auf Attacken einstellen müssten. „Cybersicherheit ist ein kontinuierlicher Prozess“, erklärte Warken. Komme es zum Ernstfall, dann rate sie, Ruhe zu bewahren, für solche Fälle Notfallkonzepte vorzubereiten und externe Hilfe hinzuzuziehen. Für Professor Marco Gercke, Direktor des Cybercrime Research Institutes, ist es besonders wichtig hervorzuheben, dass mit Blick auf Cyberattacken neben abstraktem Wissen regelmäßige Übungen der Entscheidungsträger in Unternehmen von Bedeutung sind.
Weiter berichteten von Cyberattacken betroffene Unternehmensvertreter davon, wie sie mit Angriffen umgegangen sind – und was sie anderen Firmen präventiv raten. Moderiert wurde die Veranstaltung von SWR-Journalistin Nicole Köster.