Lesebeitrag / 16. März 2022

Sanktionsmöglichkeiten in der Grundsicherung beibehalten

Dick: Geplantes Sanktionsmoratorium zerstört die Balance zwischen Fördern und Fordern und ist ungerecht gegenüber denjenigen, die sich an die Regeln halten

Stuttgart – Die baden-württembergische Wirtschaft plädiert dafür, das Prinzip „Fördern und Fordern“ in der Grundsicherung beizubehalten. „Leider hat das Bundeskabinett heute ein Gesetz auf den Weg gebracht, das bis Jahresende alle Sanktionen ausschließt, wenn Leistungsbezieher sich einer Vermittlung entziehen“, kritisierte Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), am Mittwoch in Stuttgart: „Das zerstört nicht nur die austarierte Balance zwischen Fördern und Fordern. Es verringert auch die Chancen ausgerechnet der Menschen, die bei der Arbeitsvermittlung am dringendsten Unterstützung benötigen.“

Bisher sehen die Regelungen vor, dass Personen in der Grundsicherung, die sich nicht aktiv an Vermittlungsversuchen in Arbeit beteiligen, mit Sanktionen (Leistungskürzungen) belegt werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Prinzip 2019 grundsätzlich bestätigt, allerdings einige Regelungen als verfassungswidrig eingestuft – was eine gesetzliche Anpassung notwendig macht. Die Bundesregierung will nun die Sanktionen bis Jahresende vollständig aussetzen, bis sie im Zuge der Einführung eines Bürgergeldes komplett neu geregelt werden sollen.

Aus Sicht der baden-württembergischen Wirtschaft ist dieser Schritt unverhältnismäßig, zumal schon etliche eingeforderte Änderungen umgesetzt seien und der Gesetzgeber ausreichend Zeit für eine grundlegende Neuregelung gehabt habe. „Außerdem ist die Grundsicherung eine Solidarleistung, die von allen Steuerzahlern finanziert wird, auch von denjenigen mit geringem Einkommen“, sagte UBW-Hauptgeschäftsführer Dick: „Den allermeisten Menschen, die Sozialleistungen erhalten, ist dies bewusst, und sie versuchen mit großem Engagement alles, um wieder in Beschäftigung zu kommen.“ Etwaige Sanktionen richteten sich ja explizit auch nicht gegen diese Leistungsbezieher, die sich an die Regeln halten: „Wenn nun Sanktionen gänzlich abgeschafft werden sollen, auch wenn die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit ohne wichtigen Grund verweigert wird, ist dies eine Ungerechtigkeit gegenüber all denjenigen, die ihrer Mitwirkungspflicht im Sinne der Gemeinschaft nachkommen.“

Für die Mitarbeitenden in den Jobcentern werde es nun immer schwieriger, die Menschen zu erreichen, deren Interesse gering ist, an einer Beendigung des Leistungsbezugs und der Rückkehr in Arbeit mitzuwirken. „Gerade diese Klientel hat jedoch bei der Vermittlung in Arbeit und der damit verbundenen Chance auf soziale Teilhabe Unterstützung nötig“, so Dick. Leider habe jedoch die Praxis im Corona-Jahr 2021 gezeigt, dass weniger Leistungsbezieher die Chance genutzt haben, z.B. an Bewerbertagen mit Unternehmen in Kontakt zu treten, um darüber ggf. wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. „Es ist naheliegend, dass dies auch darauf zurückzuführen war, dass bereits während Corona die Androhung von Sanktionen faktisch ausgesetzt war“, sagte der UBW-Hauptgeschäftsführer. Meldeversäumnisse bleiben laut dem Regierungsentwurf allerdings weiterhin sanktionsbewehrt. „Wer also unentschuldigt nicht zu Terminen erscheint, soll richtigerweise sanktioniert werden, wer aber eine zumutbare Arbeit oder sinnvolle arbeitsmarktpolitische Maßnahmen nicht annimmt, hingegen nicht. Diese Unterscheidung macht schlicht keinen Sinn“, kritisierte Dick.

Autor

Volker Steinmaier

Referatsleiter Medienarbeit Print, Rundfunk und TV
steinmaier@unternehmer-bw.de