Barta: „Positive Ansätze werden verpuffen, wenn bei Reformen der sozialen Sicherung und Bürokratieabbau nicht dringend nachgebessert wird“
Die 100-Tage-Bilanz der schwarz-roten Bundesregierung fällt aus Sicht der baden-württembergischen Wirtschaft äußerst durchwachsen aus. „Einige Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmen und zur Förderung von Wachstum wurden zwar zügig auf den Weg gebracht. Dringende Schritte wie Staatsmodernisierung, Bürokratieabbau oder die Reform der sozialen Sicherung, um die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland nachhaltig zu verbessern, fehlen jedoch gänzlich“, sagte Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), am Dienstag in Stuttgart: „Die positiven Ansätze werden daher verpuffen, sollte die Bundesregierung hier nicht schleunigst nachbessern.“
Auf der Habenseite stünden Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten insbesondere für das produzierende Gewerbe, die angekündigte Generalüberholung des Bürgergelds, der „Bauturbo“ oder der Investitionsbooster durch verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten. „Dies wird jedoch kaum zu den erhofften Investitionen führen, solange sich die Rahmenbedingungen nicht grundlegend verbessern“, sagte Barta. Bei den angekündigten Rekordinvestitionen in die Infrastruktur sei kritisch anzumerken, dass damit zumindest in einem gewissen Umfang Maßnahmen finanziert werden, die bisher aus dem regulären Haushalt bestritten wurden, so der UBW-Hauptgeschäftsführer: „Zudem ist es mehr als ein Wermutstropfen, dass dies mit einer enormen Verschuldung einhergeht, die künftige finanzielle Spielräume erheblich einengt.“
Auf ganzer Linie enttäuschend seien hingegen die bisher angekündigten konkreten sozialpolitischen Pläne. „Obwohl die Demografie unerbittlich gegen uns arbeitet, wird an der Mütterrente festgehalten und ein Rentenpaket auf den Weg gebracht, das in den nächsten 15 Jahren Mehrkosten von 200 Milliarden Euro verursacht“, kritisierte Barta: „Auch in der Kranken- und Pflegeversicherung werden die finanziellen Löcher nur notdürftig mit Krediten gestopft, die Probleme also in die Zukunft verschoben, anstatt endlich konsequent strukturelle Reformen anzugehen.“ Die Vorschläge zur Reform der Rentenversicherung, die eine Kommission bis 2027 erarbeiten soll, dürften dabei kaum noch in dieser Legislatur umgesetzt werden: „Wir steuern sehenden Auges auf Rekord-Beitragssätze von bis zu 50 Prozent zu, was Arbeit in Deutschland noch teurer macht, doch die Bundesregierung steckt nur den Kopf in den Sand.“
Auch die Vorschläge zur Staatsmodernisierung und zum Bürokratieabbau seien bislang viel zu unkonkret. Stattdessen würden das Bundestariftreuegesetz und weitere Vorhaben vorangetrieben, die mehr statt weniger Bürokratie bedeuteten, während die versprochene Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes auf sich warten lasse. „Diese Bundesregierung ist mit der schweren Hypothek jahrelanger Versäumnisse angetreten. Der aus deutscher Sicht sehr unvorteilhafte Zoll-Deal der EU mit den USA, aber auch anhaltende geopolitische Unsicherheiten haben die Lage jedoch zusätzlich verschärft“, sagte Barta: „Dennoch entsteht der fatale Eindruck, dass auch die schwarz-rote Koalition wie schon die Vorgängerregierungen nicht auf veränderte Rahmenbedingungen reagiert, sondern stur die im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben abarbeitet. Hier erwarten wir dringend einen Kurswechsel.“