13. März 2025

Energiepolitische Forderungen aus dem Südwesten

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    Deutschland hat das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden. Dies ist mit einem grundlegenden Umbau des Energiesystems und der Industrie verbunden. Baden-Württemberg ist der Wirtschafts- und Industriemotor Deutschlands und trägt wesentlich zu Deutschlands Bruttoinlandsprodukt bei. Rund 34 Prozent der Bruttowertschöpfung Baden-Württembergs findet dabei in der Industrie statt, wo auch 30 Prozent der Erwerbstätigen beschäftigt sind. Der Südwesten ist bundes- und europaweit in der Spitzengruppe, was Innovationen in neue Technologien betrifft.

    Die Politik muss regionalen Besonderheiten Rechnung tragen, um Wohlstand, Wertschöpfung und Beschäftigung hier und in Deutschland zu sichern:

    • Der Strombedarf und die Abhängigkeit Baden-Württembergs von Stromimporten nehmen künftig erheblich zu. Die am Markt verfügbare, gesicherte Leistung im Südwesten wird sich mit dem Kohleausstieg halbieren. Gleichzeitig wird zu wenig in neue, wasserstofffähige Gaskraftwerke im Südwesten investiert, die für die Versorgungssicherheit und für den sicheren Netzbetrieb wesentliche Voraussetzung sind. Und das, obwohl die Stromversorgung heute schon angespannt ist und Kraftwerke in Baden-Württemberg nicht komplett stillgelegt werden dürfen und in die Netzreserve übergehen.
    • Leitungsgebundener Wasserstoff wird in einzelnen Regionen Baden-Württembergs erst ab 2040 verfügbar sein und damit deutlich später als in anderen Teilen Deutschlands. Auch hier wird eine große Importabhängigkeit, sowohl vom In- als auch vom Ausland, erwartet.

    Besonders energieintensive Industrien, wie zum Beispiel die Papier- oder Chemieindustrie, benötigen eine stabile Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen, damit ihre Produktion im Süden Deutschlands weiterhin wirtschaftlich ist. Durch die aktuelle Energiepolitik sehen sich energieintensive Unternehmen in Baden-Württemberg in ihrer Wettbewerbsfähigkeit bedroht. Deshalb überlegt mehr als jedes dritte Industrieunternehmen in Baden-Württemberg laut IHK-Energiewendebarometer, Produktionskapazitäten ins Ausland zu verlagern. Bei Großunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ist es sogar jedes zweite.

    Damit sich diese negative Entwicklung nicht weiter fortsetzt, gilt es in der
    nächsten Legislaturperiode energiepolitisch entschlossen zu handeln, um
    die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg
    wieder zu stärken.

    ENERGIEVERSORGUNGSSICHERHEIT AUCH ZUKÜNFTIG FÜR DIE SÜDWESTWIRTSCHAFT SICHERN

    Notwendigen Zubau von gesicherter Leistung in Baden-Württemberg schnell ermöglichen

    Die Kraftwerksstrategie muss schnell umgesetzt werden, um kurzfristig zumindest einen ersten Beitrag zur Versorgungssicherheit im Südwesten zu liefern. Bis zu 21 GW gesicherte Leistung wird benötigt, um den Kohleausstieg zu flankieren. Bei Bauzeiten von fünf bis sieben Jahren darf jetzt keine Zeit verloren werden. Um Tempo zu gewinnen, sollte die neue Bundesregierung auf
    dem bestehenden Gesetzesentwurf aufsetzen.

    Besonders wichtig ist, dass der Zubau der wasserstofffähigen Gaskraftwerke systemdienlich erfolgt. Das ist dann gegeben, wenn die Kraftwerke dort gebaut werden, wo sie den effizientesten Beitrag zur Deckung der Stromnachfrage und für den sicheren Stromnetzbetrieb liefern. Orientierung liefern die von den Übertragungsnetzbetreibern identifizierten Bedarfe für gesicherte Erzeugungsleistung aus Netz- und Systemsicht je Regelzone.

    Der im Kraftwerkssicherheitsgesetz vorgeschlagene Südbonus ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, muss aber weiter präzisiert werden. Ziel für die baden-württembergische Wirtschaft ist es, den aus Systemsicht notwendigen Zubau von 6,5 GW im Südwesten zu erreichen.

    An die Kraftwerksstrategie muss sich ein Instrument anschließen, das die Deckungslücke an gesicherter Leistung absichert. Dieses muss auf die Kraftwerksstrategie abgestimmt sein. Das Instrument braucht ein lokales Steuerungsinstrument, wie zum Beispiel einen Südbonus, der Kapazitäten dort allokiert, wo sie besonders systemdienlich sind.

    Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben

    Der Ausbau-Pfad der erneuerbaren Energien sollte beibehalten werden und Hand in Hand mit dem Bau von Speichern sowie Transport- und Verteilnetzen vorangetrieben werden. Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zur Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Wind- und Solarprojekte sollte weiter gestärkt werden. Es sind Maßnahmen notwendig, die den Markthochlauf von Power Purchase Agreements (PPA) unterstützen, um die Kosten der Strombeschaffung für Unternehmen zu reduzieren und Anreize in den Ausbau erneuerbarer Energien zu setzen.

    Stromnetzausbau beschleunigen

    Der Um- und Ausbau der Stromnetzinfrastruktur (Leitungen, Umspannwerke, etc.) muss durch Flächenbereitstellung sowie vereinfachte und standardisierte Genehmigungsanforderungen weiter beschleunigt werden. Die bereits im Bau befindlichen Nord-Süd-Verbindungen wie SuedLink und ULTRANET müssen zügig fertiggestellt werden. Die zusätzlich geplanten Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ), die nach Baden-Württemberg führen, entschärfen die netztechnische Engpasssituation und sollten daher schnell umgesetzt werden. Gleichzeitig muss auch der Ausbau des Verteilnetzes beschleunigt werden.

    Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur zügig voranbringen

    Der Wasserstoff-Hochlauf muss im Südwesten flächendeckend konsequent vorangetrieben werden, damit in allen relevanten Industrien eine bezahlbare, verlässliche und klimafreundliche Produktion ermöglicht wird.

    Für den Hochlauf sollten keine unnötigen Beschränkungen bei der Art des erzeugten Wasserstoffs und seiner Derivate auferlegt werden. In der Transformation sollten praxistaugliche und technologieoffene Definitionen von klimafreundlichem Wasserstoff herangezogen werden.

    In Baden-Württemberg ist es dabei insbesondere dringend erforderlich, dass Lücken im Kernnetz, beispielsweise entlang des Rheins oder in der Bodensee-Region, bedarfsgerecht geschlossen werden. Gleichzeitig muss eine diversifizierte Import-Infrastruktur aus Südeuropa und anderen Teilen der Welt sowie der Ausbau des Verteilnetzes hin zu den Industrieunternehmen mitgedacht werden.

    Dafür bedarf es verbesserte, wettbewerbsfähige Investitionsbedingungen sowohl in das Kernnetz als auch zukünftig einen geeigneten Investitions- und Regulierungsrahmen für neue Leitungen innerhalb des Verteilnetzes.

    Speicherung und Erzeugung von Wasserstoff im Süden attraktiver gestalten

    Die Erzeugung von Wasserstoff in Baden-Württemberg muss durch netz- und systemdienliche Elektrolyse ermöglicht werden. Der Standort Baden-Württemberg darf in diesem Punkt nicht benachteiligt werden. Beispielsweise müssen Unternehmen beim Hochlauf der Elektrolyse auch hier von finanzieller Förderung und vergleichbaren Bedingungen wie im Norden profitieren. Dies gilt insbesondere, da leitungsgebundener Wasserstoff hier später verfügbar sein wird und Alternativen gegeben sein müssen, um Defossilisierungsziele zu erreichen und wettbewerbsfähig zu bleiben.

    Wasserstoff spielt auch als Speicher für erneuerbare Energien eine wichtige Rolle. Im Schulterschluss mit der Erzeugung von Wasserstoff im Südwesten müssen daher gleichzeitig ausreichend Speicherkapazitäten geschaffen werden, um Erzeugung und Verbrauch von Wasserstoff zeitlich und räumlich zu entkoppeln.

    Damit diese Entkopplung mittels Speicher in der Praxis stattfinden kann, sollten die Strombezugskriterien nach RED III7 entsprechend angepasst werden. Sollte dies nicht geschehen, könnten Elektrolyse-Projekte aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit im Südwesten ab 2028 nicht mehr durchgeführt werden.

    WETTBEWERBSFÄHIGKEIT DES WIRTSCHAFTS- UND INDUSTRIESTANDORTS BADEN-WÜRTTEMBERG STÄRKEN

    Strompreise dauerhaft senken

    Die Wirtschaft, und insbesondere die Industrie, benötigt kurzfristig Entlastungsmaßnahmen bei den Stromkosten. Eine wichtige Maßnahme ist dabei die dauerhafte Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß von 0,05 Cent/KWh. Die Umsetzung dieser Maßnahme gilt es in der nächsten Legislaturperiode zügig voranzubringen.

    Gleichzeitig gilt es durch geeignete Maßnahmen das weitere Ansteigen der Netzentgelte zu verhindern, da diese einen signifikanten Teil des Strompreises ausmachen. In den vergangenen Jahren sind die Netzentgelte inkl. Messstellenbetrieb für Industriekunden bereits um 25 Prozent gestiegen. Diese Kosten werden für die Industrie perspektivisch eine massive Belastung darstellen, wenn nicht zügig gehandelt wird.

    Einheitliche Stromgebotszone beibehalten

    Um wettbewerbsfähige Strompreise zu garantieren, muss eine einheitliche Stromgebotszone unbedingt beibehalten werden. Hierfür muss sich die neue Bundesregierung entschieden in Brüssel einsetzen. Eine Aufteilung würde den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig schwächen und insbesondere energieintensive Industrien im Süden durch deutlich höhere Stromkosten stark belasten.

    Die anhaltende Diskussion über eine mögliche Teilung der Stromgebotszone schafft Verunsicherung statt Planungs- und Investitionssicherheit. Stattdessen sollte der Netzausbau und der Kraftwerkszubau weiter zügig vorangetrieben werden, um aktuell bestehende Engpässe mittelfristig zu verringern bzw. zu beheben.

    TRANSFORMATION DES ENERGIESYSTEMS EFFIZIENT GESTALTEN

    Gesamtheitliche Energiesystementwicklung vorantreiben

    Der Systementwicklungsplan soll weiter vorangetrieben werden und damit eine auf die Bedarfe der Unternehmen abgestimmte, bedarfsgerechte und integrierte Netzplanung für Strom, Gas und Wasserstoff erreicht werden. Dies führt zur Optimierung des Gesamtsystems, senkt Kosten, erhöht die Versorgungssicherheit und stellt sicher, dass die Klimaziele auch erreicht werden können.

    Kosten beim Infrastrukturausbau im Blick behalten

    Die Kosten bei Infrastrukturprojekten sollten stärker in den Fokus genommen werden. Nicht immer ist die teuerste Lösung die Beste. Deshalb sollten die neuen Übertragungsnetzleitungen in Freileitungstechnik realisiert werden, um einerseits die Investitionskosten um mindestens 20 Mrd. Euro zu reduzieren und andererseits die technische Wartung zu erleichtern. Zudem können die neuen HGÜs dann früher in Betrieb genommen werden, was auch die Redispatch-Kosten deutlich reduziert. Von Hybridlösungen, das heißt der Kombination der Freileitungs- und Erdkabel-Bauweise innerhalb einer Trasse, sollte generell abgesehen werden.

    Digitalisierung stärken, um Systemkosten zu begrenzen

    Der Smart-Meter-Hochlauf und die Digitalisierung der Netze müssen dringend vorangetrieben werden, damit die Systemkosten begrenzt werden können. So kann die Einspeisung und Nutzung erneuerbarer Energien weiter optimiert werden. Zudem wird damit eine effiziente Steuerung der Energieflüsse ermöglicht.

    Thomas Widder | UBW – Unternehmer Baden-Württemberg e.V.

    Thomas Widder

    Pressereferent

    0711 7682-226
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    Dr. Susanne Wellmann

    Referentin Energie und Rohstoffe