Der demographische Wandel stellt die nachhaltige und generationengerechte Finanzierung der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung vor große Herausforderungen. Einer wachsenden Zahl an Rentenempfängern stehen immer weniger Beitragszahler gegenüber. Die Politik ist gefordert, echte strukturelle Reformen in der Rentenversicherung anzugehen.
Dabei wäre sinnvoll:
- die Rückkehr zum Nachhaltigkeitsfaktor,
- die sachgerechte Finanzierung von versicherungsfremden Leistungen aus Bundesmitteln,
- eine Anpassung und Flexibilisierung des Renteneintrittsalters,
- eine Prüfung und weitgehende Streichung versicherungsfremder Privilegien (z.B. „Rente mit 63“, Mütterrente, Grundrente) und
- die Stärkung der zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge.
Bleiben hingegen Reformen aus und werden stattdessen weiter Rentengeschenke verteilt, werden die Beitragszahler am Ende mehr bezahlen müssen für weniger Rente. Das sieht auch der Bundesrechnungshof so: Die derzeitige Lage begünstige „vor allem die heutigen Rentner und die kommenden Baby-Boomer-Jahrgänge. Junge und künftige Jahrgänge werden dadurch jedoch belastet. Die Generationengerechtigkeit ist daher nicht gegeben.“

Neues Rentenpaket verursacht zusätzliche Milliardenkosten
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 24. Juni 2025 einen Entwurf für ein „Gesetz zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zur vollständigen Gleichstellung der Kindererziehungszeiten“ vorgelegt. Dieses erste Rentenpaket soll Teil eines Gesamtpakets einer Rentenreform sein, das neben vielen Detailregelungen jedoch keine strukturellen Reformen beinhaltet, dafür aber viele Milliarden kosten wird.
Mit dem ersten Rentenpaket knüpft die schwarz-rote Koalition am gescheiterten Rentenpaket II der zerbrochenen Ampelkoalition an. Es enthält folgende Inhalte:
- Das Rentenniveau wird bis 2031 auf mindestens 48 Prozent festgeschrieben, Rentenanpassungen ab 2032 erfolgen von der bis dahin erreichten Rentenhöhe aus.
- Bei der sog. „Mütterrente“ werden voraussichtlich ab 2027 weitere sechs Monate Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder angerechnet. Damit werden insgesamt drei Jahre für alle Kinder unabhängig vom Jahr der Geburt anerkannt.
- Die Untergrenze der Nachhaltigkeitsrücklage soll zur Verbesserung der unterjährigen Liquidität der Deutschen Rentenversicherung angehoben werden.
- Für Personen, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, soll das sog. Vorbeschäftigungsverbot (im Entwurf „Anschlussverbot“) des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG für sachgrundlose Befristungen aufgehoben werden.
Das Maßnahmenpaket verursacht gegenüber der aktuellen Rechtslage extreme Mehrkosten von rund 200 Mrd. € in den nächsten 15 Jahren. Die Mehrausgaben sollen zwar durch Bundeszuschüsse aus Steuermitteln gedeckt werden – und damit nicht über Beiträge der Arbeitgeber und Versicherten. Allerdings zeigt die Vergangenheit, dass diese Versprechen der Politik nicht immer eingehalten werden und Bundeszuschüsse je nach Kassenlage auch gerne wieder gekürzt werden.
Positiv ist zu vermerken, dass die Nachhaltigkeitsrücklage geringfügig angehoben werden soll. Ebenfalls zu begrüßen ist, dass das sog. Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundloser Befristung für Personen, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, aufgehoben werden soll, um ein freiwilliges Weiterarbeiten über das Rentenalter hinaus zu erleichtern.
Weitere Rentenpakete sollen folgen
Die schwarz-rote Koalition hat sich abseits dieses ersten Rentenpaketes noch mindestens zwei weitere Rentenprojekte vorgenommen.
In einem zweiten Paket soll das Betriebsrentenstärkungsgesetz überarbeitet werden. Außerdem ist geplant, in einem dritten Paket ein längeres Arbeiten im Rahmen einer sog. „Aktivrente“ durch steuerliche Anreize zu fördern. Nach Erreichen der Regelaltersrente sollen 2.000 Euro steuerfrei zur Altersrente hinzuverdient werden können. Zudem soll mit der sog. Frühstart-Rente eine steuer- und kapitalfinanzierte Vorsorge für Kinder zwischen 6 und 18 Jahren geschaffen werden.
Der Gesetzgeber geht damit zwar wichtige und richtige Themen an. Aber z.B. die subventionierte „Aktivrente“ wird weiterhin konterkariert durch ebenfalls subventionierte Anreize, früher in Rente zu gehen („Rente mit 63“). Es braucht daher dringend auch strukturelle Reformen, um die Rentenversicherung angesichts der Herausforderungen der Demographie krisenfest zu machen. Entscheidend wird dabei auch sein, welche Maßnahmen für eine Förderung der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung ergriffen werden.

Generationengerechtigkeit – das war einmal…

Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland ist überwiegend über ein Umlageverfahren finanziert. Die Erwerbstätigen finanzieren mit ihren Beiträgen die Renten der älteren Generation in der Erwartung, im Alter von der dann erwerbstätigen Generation versorgt zu werden. Aber die geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten Babyboomer gehen in den kommenden Jahren nach und nach in Rente. Die Verschiebung in der Altersstruktur hat erhebliche Auswirkungen auf die Gesetzliche Rentenversicherung. Immer mehr Rentner stehen einer sinkenden Zahl von Beitragszahlern gegenüber.
Im Jahr 1962 kamen in Westdeutschland auf einen Altersrentner sechs Beitragszahler. Heute stehen einem Rentner nur noch knapp zwei Beitragszahler gegenüber. Das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern wird in Zukunft weiter deutlich abnehmen. Ein wesentlicher Grund ist, dass mit dem Renteneintritt der Babyboomer-Jahrgänge auch die Erwerbsbevölkerung schrumpft und damit auch die Zahl der potenziellen Beitragszahler. Bald könnte das Verhältnis fast 1:1 sein.
Die Rentenpakete der letzten Jahre – u.a. abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte („Rente mit 63“), Mütterrente und Grundrente – haben im Wesentlichen nur die Rentenansprüche von einzelnen Personengruppen erhöht, verursachen aber dauerhafte Kosten. Die Durchschnittsrentner haben von diesen Maßnahmen kaum profitiert. Die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung sind hingegen immens gestiegen.
Zuletzt wurden die Bundeszuschüsse durch mehrere Gesetze (u.a. das zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024) gekürzt, der Staat zieht sich teilweise aus der Finanzierung zurück. Das führt ebenfalls zu einer stärkeren Belastung von Versicherten und Arbeitgebern. Generationengerechtigkeit und Leistungsgerechtigkeit gehen anders.


Keine vermeintlichen Rentengeschenke mehr! Rentenversicherung zukunftsfest aufstellen!
Es reicht! Die Politik muss endlich aufhören, nur über Rentengeschenke nachzudenken. Stattdessen braucht es echte Strukturreformen, um die Rentenversicherung zukunftsfest aufzustellen. Wenn diese Strukturreformen nicht angegangen werden, dann steht die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung auf tönernen Füßen.
Die geplante Einrichtung einer Rentenkommission ist richtig und wichtig, allerdings dürfen strukturelle Reformen nicht länger auf die lange Bank geschoben werden. Der demographische Wandel und seine Folgen für die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung sind seit langem bekannt. Notwendig sind
- eine Verlängerung der aktiven Arbeitsphase,
- die versicherungsmathematisch korrekte Berechnung der Abschläge bei vorzeitigem Renteneintritt,
- die Abschaffung von Frühverrentungsanreizen,
- die vollständige Finanzierung versicherungsfremder Leistungen aus Bundesmitteln und
eine Stärkung der zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge. Die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung muss durch betriebliche und private Vorsorge ergänzt werden, um trotz des Rückgangs der Zahl der Beitragszahler eine ausreichende finanzielle Absicherung im Alter zu gewährleisten.


