Forderungen zum Mindestlohn
…zum Mechanismus der Anpassungen:
- bisherige Systematik durch unabhängige Mindestlohnkommission unbedingt erhalten; Basis: Nachlaufende Abbildung der allgemeinen Tarifentwicklung
…zu deutschem Mindestlohn und EU-Richtlinie:
- Die EU-Mindestlohnrichtlinie liefert keine Begründung für eine weitere außerordentliche Erhöhungen des deutschen Mindestlohns.
- Entsprechende Darstellungen von Gewerkschaften und Politik sind schlicht unzutreffend. So stellte das Bundesarbeitsministerium im Oktober 2024 fest: Die EU-Richtlinie ist in Deutschland mit den gesetzlichen Regelungen zum Mindestlohn EU-rechtskonform umgesetzt.
- Die EU-Richtlinie steht möglicherweise vor dem Aus. Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hält sie nicht mit EU-Recht vereinbar. Der EuGH folgt der Bewertung des Generalanwalts häufig, die Entscheidung erfolgt voraussichtlich noch 2025.
- Der Richtwert aus der EU-Richtlinie (60 Prozent des Bruttomedianentgelts) sollte daher für weitere Anpassungen wieder fallengelassen werden, vor allem, wenn die Richtlinie tatsächlich gekippt wird.
…zu Tarifautonomie und Beschäftigung:
- Keine weiteren politisch motivierten Eingriffe und außerordentliche Erhöhungen, denn sie…
…untergraben das Vertrauen in Zusagen und Verlässlichkeit der Politik;
…bedeuten eine erhebliche Belastung für die Tarifautonomie;
…gefährden immer mehr Beschäftigung in einfachen Tätigkeiten.
Zur aktuellen Diskussion
Zum 1. Januar 2015 wurde der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland eingeführt. Die weitere Entwicklung und die politische Diskussion um den Mindestlohn zeigen, dass die staatliche Festlegung einer Lohnuntergrenze problematisch bleibt und ihre Weiterentwicklung zum Spielball eines politischen Überbietungswettbewerbs wird. Dies muss für die Zukunft verhindert werden.
Entstehung des Mindestlohns
Die Einführung des Mindestlohns wurde u.a. mit einer Ausweitung des Niedriglohnsektors und der sinkenden Bindewirkung von Tarifverträgen begründet. Zu Beginn lag er bei 8,50 Euro pro Arbeitsstunde, wobei vorübergehend Ausnahmeregelungen für bestimmte Branchen galten. Die Weiterentwicklung wurde in die Hände einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) gelegt.
Entwicklung des Mindestlohns
Der Mindestlohn stieg bis zum 1. Juli 2022 schrittweise auf 10,45 Euro. Zum
1. Oktober 2022 wurde er durch erneute gesetzliche Festlegung außerplanmäßig auf zwölf Euro angehoben – ein Wahlversprechen der Ampelparteien SPD und Grüne. Durch weitere Anpassungen liegt er seit Januar 2025 bei 12,82 Euro.
Im Juni 2025 hat die Mindestlohnkommission eine weitere Erhöhung in zwei Stufen beschlossen, zum 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro, zum 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro. Dies entspricht einer weiteren Anhebung von knapp 14 Prozent. Der Mindestlohn wird damit in zwölf Jahren seit seiner Einführung um gut
71 Prozent gestiegen sein – deutlich stärker als die Verbraucherpreise und die Entgelte der Tarifbeschäftigten. Für die Umsetzung ist noch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung erforderlich.
Herausforderungen und Grenzen des Mindestlohns
Eingriff in die Tarifautonomie
- Das Grundgesetz schützt die Tarifautonomie. Das heißt, für die Lohnfindung sind die Sozialpartner zuständig. Sie kennen die branchenspezifischen Besonderheiten und können am besten entscheiden, welche Entgelte angemessen sind. Einmischungen der Politik sind ausdrücklich ausgeschlossen.
- Die gesetzliche Festlegung einer allgemein geltenden Lohnuntergrenze stellt eine gravierende Verletzung dieses Grundprinzips unserer sozialen Marktwirtschaft dar. Sie greift in die Festsetzung der unteren Entgeltgruppen der Tarifverträge und damit in das gesamte Entgeltgefüge der Tarifvertragsparteien ein.
- Das Versprechen, die Weiterentwicklung des Mindestlohns in den Händen der Tarifpartner zu belassen, wurde durch die erneute gesetzliche Festlegung nach der Bundestagswahl 2021 gebrochen. Fortwährende Politikerforderungen nach einem neuerlichen Eingriff des Gesetzgebers zeigen zudem, dass der Mindestlohn wie befürchtet zum Spielball eines politischen Überbietungswettbewerbs zu werden droht.
Tragfähigkeit der Entgelthöhe
- Lohnfindung muss sich nach der Produktivität richten, also welchen „Ertrag“ man mit der jeweiligen Arbeit erzielen kann.
- Die Forderung, dass Arbeit auskömmlich genug sein müsse, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, kann nicht Maßstab für die Festlegung des Entgelts sein – zumal der Maßstab für einen Single auf dem Land ein völlig anderer wäre als für Alleinverdienende mit Familie in der teureren Großstadt.
Inflationstreiber Mindestlohn
- Der Mindestlohn wirkt als Inflationstreiber. Überproportionale Anhebungen führen dazu, dass sich insbesondere Dienstleistungen mit einem höheren Anteil von einfachen Tätigkeiten überdurchschnittlich verteuern. Dies ist z.B. beim Restaurantbesuch oder auch im Einzelhandel zu beobachten.
Konkurrenz zur Ausbildung
- Der Mindestlohn hält immer mehr junge Menschen davon ab, eine Ausbildung zu beginnen – da es zunehmend attraktiver erscheint, per Mindestlohn Geld zu verdienen, als eine Ausbildung oder ein Studium mit weniger oder gar ohne Geld zu beginnen. 14,60 Euro Mindestlohn ab 2027 bedeuten bei einer 40-Stunden-Woche mehr als 2.500 Euro brutto im Monat – etwa das Doppelte vieler Ausbildungsvergütungen. Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass der Anteil junger Menschen ohne Ausbildung stetig wächst.
- Der gestiegene Mindestlohn hat auch den Entgeltabstand zu manchen Tätigkeiten, für die eine Ausbildung benötigt wird, verringert.
Verlust regulärer Beschäftigung
- Steigt der Mindestlohn weiterhin stark und schneller als die allgemeinen Tariflöhne, droht der Verlust von Arbeitsplätzen. Irgendwann ist der Wendepunkt erreicht, ab dem die Produktivität solcher einfachen Tätigkeiten nicht mehr ausreicht, um das Entgelt zu erwirtschaften. Die Folge: Arbeitsplätze gehen verloren, weil sie sich nicht mehr rentieren.
- Überproportional steigende Personalkosten können auch dazu führen, dass Betriebe aufgeben müssen – was etwa in der Gastronomie oder bei Bäckereifilialen teils schon zu beobachten ist.
- Ggf. droht auch ein Abgleiten in die Schattenwirtschaft („Schwarzarbeit“), d.h. die Tätigkeiten gehen als reguläre Beschäftigungsverhältnisse verloren.