23. Januar 2025

Starker Anstieg der Sozialbeiträge zu erwarten – es braucht dringend Reformen

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Résumé:

Die Demographie und gesellschaftliche Veränderungen fordern die Sozialversicherungssysteme heraus. Derzeit ist nicht erkennbar, dass die Politik die dringend notwendigen strukturellen Reformen in den Sozialversicherungssystemen angeht und den Unternehmen Aussicht auf eine Verringerung der Abgabenlast gibt. Vielmehr sind die Sozialabgaben zum Jahresanfang wieder stark gestiegen. Es gibt keinerlei Ansatz für strukturelle Reformen in einer alternden Gesellschaft.

Erforderlich wären:

  • Versicherungsfremde Leistungen müssen abgebaut – oder zumindest ausreichend über Bundeszuschüsse finanziert –,
  • Stabilisierungs- und Wettbewerbsfaktoren wieder in Kraft gesetzt und
  • unnötiger bürokratischer Aufwand für die Verwaltung und die Betriebe muss vermieden werden.

Dann hätten die Betriebe auch wieder Argumente und Planungsansätze für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation. Das Ziel muss sein, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag wieder unter
40 Prozent zu bringen. Dafür müssen die Beitragsmittel effizienter eingesetzt werden. Auch
Einsparungen auf der Ausgabenseite dürfen nicht für tabu erklärt werden.

Status Quo: Sozialbeiträge bei fast 42 Prozent

Beitragssätze entscheiden wesentlich über die Kosten von Arbeit und das Brutto-Netto-Verhältnis beim Arbeitseinkommen jedes einzelnen. Je höher Beiträge und Steuern sind, desto weniger Geld bleibt den Arbeitnehmern im Portemonnaie, und für die Arbeitgeber gehen die Arbeitskosten durch die Decke.

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2023 sind die Beiträge bereits um ca. 1,35 Prozentpunkte gestiegen und damit hat der Gesamtbeitragssatz zur Sozialversicherung bereits die bedeutsame Marke von 40 Prozent gerissen.
2024 wurde mit 40,9 Prozent schon fast ein Prozent mehr erhoben. 2025 summieren sich die Beitragssätze von

  • 18,6 Prozent in der Rentenversicherung,
  • 2,6 Prozent in der Arbeitslosenversicherung,
  • 14,6 Prozent zuzüglich 2,5 Prozent durchschnittlicher Zusatzbeitrag in der Krankenversicherung sowie
  • 3,6 Prozent in der Pflegeversicherung mit einem Kind

auf stattliche 41,9 Prozent. Für Kinderlose sind es wegen des erhöhten Pflegebeitrags sogar 42,5 Prozent.

Insbesondere in der Kranken- und Pflegeversicherung haben sich die Leistungsausweitungen bereits stark auf die Beitragssätze ausgewirkt. Auch in der Arbeitslosen- und der Rentenversicherung ist Druck auf den Kassen, da Demographie und die schlechte wirtschaftliche Entwicklung sich hier bemerkbar machen.

Weiterer steiler Anstieg in der Zukunft – eine enorm herausfordernde Perspektive

In der Renten- und Pflegeversicherung ist am offensichtlichsten, dass eine strukturell immer älter werdende Bevölkerung immer mehr Leistungen in Anspruch nimmt und zugleich immer weniger Beitragszahler diesen Mehrbedarf decken müssen. Eine ältere Bevölkerung heißt mehr Rentner und weniger aktiv arbeitende Beitragszahler. Mit zunehmendem Alter steigt zudem der Bedarf nach Pflege deutlich an. Aber auch in der Krankenversicherung steigen die Aufwendungen pro Versichertem in einer alternden Gesellschaft an. Je älter Menschen werden, desto größer ist ihr Bedarf an medizinischen Leistungen.

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Das Berliner Forschungsinstitut IGES hat im Auftrag der DAK Gesundheit eine Studie zur möglichen Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge bis 2035 erstellt. Die Projektionen stellen keine Vorhersage dar. Vielmehr wurden auf Basis der aktuellen gesetzlichen Grundlage die aktuellen Beitragssätze unter Berücksichtigung der relevanten Einflussfaktoren (Bevölkerungs- und Einkommensentwicklung) fortgeschrieben – ohne mögliche sozialpolitische Reaktionen oder Korrekturen. Bei ungünstigem Verlauf werden die SV-Gesamtbeiträge demnach um rund ein Viertel von heute knapp 42 Prozent auf mehr als 51 Prozent der Bruttoeinkommen steigen. Für Arbeitnehmer würde dies empfindlich weniger Netto vom Brutto bedeuten, für die gesamtfinanzierenden Arbeitgeber einen noch deutlicheren Anstieg der Arbeitskosten.

Noch dazu hat die Politik in den letzten Jahren zahlreiche Leistungsausweitungen als Wahlgeschenke verteilt: Die Rente mit 63, die Mütterrente, die Grundrente, Leistungsausweitungen, z.B. bei Fettabsaugung und Homöopathie, in der gesetzlichen Krankenversicherung, Anhebung von Pflegepersonalschlüsseln auf einem ohnehin leergefegten Arbeitsmarkt für Pflegekräfte usw. Das hat dazu beigetragen, dass der Finanzierungsdruck in den ohnehin durch die Demographie herausgeforderten Versicherungszweigen steigt.

Hinzu kommt, dass bestehende Rücklagen in allen Zweigen der Sozialversicherung, seien es die der Bundesagentur für Arbeit, des Gesundheitsfonds oder Rücklagen einzelner Krankenkassen sowie die Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung, in den letzten fünf Jahren massiv abgebaut wurden. So hat etwa die Corona-Pandemie die Rücklagen der Bundesagentur für Arbeit komplett aufgefressen. Damit bleibt kaum noch ein Puffer. Damit ist klar: Die Kassen sind bereits heute leer, noch bevor die Herausforderungen der Transformation in einer alternden Gesellschaft überhaupt voll zum Tragen kommen.

Verantwortungslose Geschäfte zulasten der Beitragszahler

Hinzu kommt, dass sich Bundes- und Landespolitik zunehmend aus der finanziellen Verantwortung für gesamtgesellschaftliche Aufgaben zurückziehen. Der Bund kürzt immer weiter die Zuschüsse, deren Zweck gerade das Auffangen versicherungsfremder Leistungen ist, etwa zur Rentenversicherung (u.a. durch die Haushaltsfinanzierungsgesetze 2024 in Höhe von rund 1,2 Mrd. €) oder zur Krankenversicherung (2024 wurde der ergänzende Bundeszuschuss gestrichen und es wird nur noch der allgemeine Bundeszuschuss gezahlt).

Die Arbeitslosenversicherung kann und darf nicht ständig mit neuen Aufgaben belastet werden. Sie muss sich wieder auf ihre Kernaufgabe, Menschen in Ausbildung und Arbeit zu vermitteln, konzentrieren können. Es ist systemwidrig, immer mehr neue und versicherungsfremde Aufgaben auf die Bundesagentur für Arbeit zu übertragen. Ein aktuelles Beispiel hierzu ist die Verlagerung der Förderung der beruflichen Weiterbildung und der Betreuung von Rehabilitanden von den Jobcentern auf die Agenturen für Arbeit. Die Kosten zu Lasten der Beitragszahler einfach zu verschieben, um den Bundeshaushalt zu entlasten, ist nicht akzeptabel. Auch die Länder kommen ihren Verpflichtungen nicht mehr nach. Daher werden die Sozialversicherungen – etwa im Bereich der Krankenhausfinanzierung – für ausfallende Unterhaltsleistungen der Länder bei Infrastrukturleistungen in Anspruch genommen. Auf der einen Seite werden dabei die Zuschüsse immer mehr zusammengestrichen, während auf der anderen Seite den beitragsfinanzierten Haushalten der Krankenkassen Kosten für die Krankenhausfinanzierung übertragen werden. Damit wird die Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben auf die Beitragszahler abgewälzt.

Beiträge in der Sozialversicherung stabilisieren

Es braucht dringend ein Umdenken in der Politik. Die Herausforderungen der Demographie treffen auf durch Krisen, exzessive Ausgabenpolitik und Leistungsausweitungen geleerte Kassen. Statt immer mehr versicherungsfremde Leistungen und Ausgaben auf die Sozialversicherungsträger und Beitragszahler abzuwälzen, sollte die Politik die Ausgaben- und Verwaltungsseite angehen und jedes nur mögliche Sparpotential nutzen. Dazu müssten zunächst die wesentlichen Leistungs- und Verwaltungsprozesse gestrafft und entschlackt werden. Versicherungsfremde- und Zusatzleistungen (z.B. Die Rente mit 63, die Mütterrente, die Grundrente, die Fixierung des Mindestrentenniveaus, u.v.m.) sollten gestrichen werden.

Anstatt bestimmten Wählergruppen Wahlgeschenke auf Kosten der Beitragszahler zu machen, sollte die Politik ehrlich z.B. über die Folgen der abschlagfreien Rente mit 63 informieren. Diese wird nämlich durch höhere Beiträge für alle und niedrigere Renten für die anderen Rentner finanziert. Eine weitgehende Digitalisierung und Automatisierung ist sodann zwingend, um den auch in den Verwaltungen anstehenden Personalrückgang zu kompensieren. Nur so kann es gelingen, die Sozialversicherungsbeiträge wieder unter die Marke von 40 Prozent zu drücken, Arbeit bezahlbar zu halten und die Generationengerechtigkeit wieder herzustellen.

Stand 22. Januar 2025

Volker Steinmaier | UBW – Unternehmer Baden-Württemberg e.V.

Volker Steinmaier

Referatsleiter Medienarbeit Print, Rundfunk und TV

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Ursula Strauss

Dr. Ursula Strauss

Geschäftsführerin Soziale Sicherung