Dulger: „Der Krieg in der Ukraine hat auch die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in Baden-Württemberg drastisch verschlechtert. Die Unternehmen brauchen dringend weitere Entlastungsmaßnahmen“
Stuttgart – Die baden-württembergischen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände warnen vor einem schwierigen zweiten Halbjahr und fordern die Politik zu weiteren Entlastungsmaßnahmen für die Unternehmen auf. „Der Krieg in der Ukraine hat auch die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in Baden-Württemberg drastisch verschlechtert. Der Materialmangel hat sich weiter verschärft – Energie und Vorprodukte sind nochmals deutlich teurer geworden,“, sagte der Präsident der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), Dr. Rainer Dulger, am Dienstag in Stuttgart auf dem ersten Unternehmertag des 2020 aus der Fusion der Arbeitgeber Baden-Württemberg und des Landesverbands der Baden-Württembergischen Industrie (LVI) hervorgegangenen Dachverbands.
Die Notenbanken würden derzeit weltweit die Zinsen heraufsetzen, demnächst auch in der Eurozone, bemerkte Dulger. „Die Aussicht auf höhere Kapitalkosten bei aktuell großer konjunktureller Unsicherheit und hoher Inflation drückt auf die Stimmung von Unternehmen und Verbrauchern gleichermaßen. Die Investitions- und Konsumneigung gehen deutlich zurück. Das sind keine guten Aussichten für die zweite Jahreshälfte“, stellte er fest und verwies dabei auch auf die chinesische Null-Covid-Politik, die die globalen Lieferketten weiter massiv störe.
„Unsere Wirtschaft hat inzwischen fast den gesamten Schwung verloren, den sie durch die Lockerung der Corona-Beschränkungen gewonnen hatte“, erklärte der UBW-Präsident. Sollte Russland nun die Durchleitung von Gas noch weiter einschränken oder gar ganz einstellen, würde dies unweigerlich zu einer Rezession führen, warnte er.
Die Unsicherheit darüber, ob die Gasversorgung für den Herbst und Winter sichergestellt werden könne, führe bereits heute zu Preissprüngen auf den Gasmärkten, sagte Dulger: „Die Unternehmen sehen sich inzwischen mit fast unkalkulierbaren Kostensteigerungen im Bereich Energie konfrontiert, die oft nur unvollständig an die Kunden weitergegeben werden können.“ Die Bundesregierung habe zwar mit verschiedenen Entlastungspaketen auf die angespannte Lage reagiert, bemerkte der UBW-Präsident: „Insgesamt sind diese Maßnahmen aber für die Wirtschaft unzureichend dimensioniert. So brauchen die Unternehmen jetzt dringend eine Absenkung der Energiesteuern auf den EU-rechtlichen Mindestsatz.“
Zudem litten auch die Unternehmen im Südwesten derzeit stark unter einem wachsenden Mangel an Arbeitskräften, sagte Dulger: „Die Bewerbersituation gestaltet sich schon jetzt immer schwieriger. In nahezu allen Branchen bleiben auch Ausbildungsplätze unbesetzt, die Nachwuchsgewinnung wird zur großen Herausforderung. Vor diesem Hintergrund mutet die Diskussion um eine Ausbildungsgarantie mehr als deplatziert an.“ Es müsse stattdessen darum gehen, für die tausenden von unbesetzten Ausbildungsstellen Interessenten zu finden, beispielsweise durch mehr Berufsorientierung in den Schulen oder mehr Praktika und Einstiegsqualifizierungen.
Der Ukrainekrieg habe nochmals die Wichtigkeit eines beschleunigten Ausbaus der erneuerbaren Energien vor Augen geführt, sagte Dulger: „Die Energiewende wird aber nur gelingen, wenn die Planungs- und Genehmigungsverfahren für die dringend erforderliche Infrastruktur deutlich verkürzt werden.“ Die von der Landesregierung anvisierte Halbierung der Planungs- und Genehmigungszeiten für Infrastrukturprojekte im Bereich der erneuerbaren Energien sei ein ehrgeiziges, aber auch dringend notwendiges Ziel. „Die vom Land dafür eingesetzte Task Force muss nun kraftvolle und umfassende Maßnahmen entwickeln, damit dieses Ziel rasch erreicht werden kann“, forderte er.
Auch über Windenergie-Infrastrukturprojekte hinaus brauche es dringend ein Entfesselungs- und Beschleunigungspaket in Baden-Württemberg, betonte der UBW-Präsident: „So ist die Verfügbarkeit von Glasfaseranschlüssen nach wie vor erschreckend niedrig. Die Gigabit-Gesellschaft benötigt Gigabit-Infrastrukturen – hier muss das Tempo dringend weiter erhöht werden.“
++ Feierliche Verabschiedung der UBW-Vorstandsmitglieder Karl Schäuble und Wolfgang Wolf ++
In einem eigenen Programmpunkt wurden auf dem Unternehmertag die UBW-Vorstandsmitglieder Karl Schäuble und Wolfgang Wolf feierlich aus dem Gremium verabschiedet.
Karl Schäuble, langjähriger Geschäftsführer der ILLIG Maschinenbau GmbH & Co. KG in Heilbronn, war Vize-Präsident der Arbeitgeber Baden-Württemberg von 2004 bis zur Fusion mit dem LVI zur UBW. Mit der Fusion zog er dann in den Vorstand der UBW ein. Bei den Arbeitgebern Baden-Württemberg vertrat Schäuble insbesondere die bildungspolitischen Positionen des Verbands. So hatte er auch zwölf Jahre lang den Vorsitz des Vorstands des Bildungswerks der Baden-Württembergischen Wirtschaft inne.
„Hier haben Sie wichtige Bildungs- und Qualifizierungsinitiativen in Baden-Württemberg angestoßen“, würdigte Dulger das Engagement Schäubles. „Dabei waren Sie immer von dem Ziel geleitet, dass die Bildungs- und Qualifizierungsangebote allen Bevölkerungsgruppen gesellschaftliche Teilhabechancen eröffnen und zur Arbeitskräftesicherung als Kern des wirtschaftlichen Erfolgs unseres Bundeslandes beitragen sollen. Sie wussten: Bildung ist eine unverzichtbare Voraussetzung für den sozialen Frieden in unserem Land.“
Wolfgang Wolf trat 1980 in den LVI ein und wurde bereits ein Jahr später in die Geschäftsführung berufen. Ab 1984 war er zunächst Teil einer Doppelspitze ehe er 1992 zum alleinigen Geschäftsführer, bald darauf zum geschäftsführenden Vorstandsmitglied berufen wurden. Diese Funktion bekleidete er nach der Fusion dann auch bei den UBW.
„Es zählt zu Ihren herausragenden Leistungen, dass es Ihnen in all dieser Zeit gelungen ist, sich Veränderungen zu stellen, sie als Chance zu begreifen und im Verbund mit dem Ehrenamt den LVI immer wieder neu zu justieren“, hob Dulger in seiner Rede hervor und würdigte auch Wolfs Rolle bei der Entstehung der UBW. „Gemeinsam mit unseren Ehrenpräsidenten, den Herren Prof. Dr. Dieter Hundt und Dr. Hans-Eberhard Koch sowie Heinrich Baumann – auch ich durfte einen Teil dazu beitragen – brachten Sie in einem langwierigen, aber sehr lohnenden Prozess mit unseren Gremien und Mitgliedern die Fusion auf den Weg.“